Für die in § 2 BinSchGerG (Binnenschifffahrtsgerichtsgesetz) benannten Binnenschifffahrtssachen sind unabhängig vom Streitwert im ersten Rechtszug die Amtsgerichte sachlich zuständig. Die Landesregierungen sind ermächtigt, Binnenschifffahrtssachen für bestimmte Gewässer oder Gewässerabschnitte - auch länderübergreifend - bestimmten Gerichten als Schifffahrtsgerichten zuzuweisen, sofern dies der sachlichen Förderung oder schnelleren Erledigung der Verfahren dient.
Nun möchte man meinen, die Schifffahrtsgerichte seien, um diesem gesetzlichen Zweck zu genügen, mit Richterinnen und Richtern besetzt, die aufgrund ihrer Sach- und Fachkunde besonders geeignet sind, über Schifffahrtssachen zu entscheiden. Das ist leider nicht immer der Fall. Dem Verfasser sind zwar viele Richter an Schifffahrtsgerichten bekannt, die aufgrund ihrer beruflichen Erfahrung im Spruchkörper oder aufgrund eigener praktischer Erfahrungen in Schifffahrt und Wassersport über die gewünschte besondere Expertise verfügen. Leider ist dies nicht selbstverständlich.
Vielmehr sind die Schifffahrtsgerichte oft mit Richterinnen und Richtern besetzt, die aufgrund der Rotation den Schifffahrtsgerichten zugewiesen sind und schlichtweg (noch) keine Ahnung haben, wovon die Partein überhaupt reden. Dies zum einen, weil ihnen die Umstände auf dem Wasser nicht geläufig sind, zum anderen aber, weil ihnen mitunter selbst das grundlegendste nautische Vokabular fehlt.
Damit lässt sich in der Regel durchaus leben. Zwar löst es zuweilen bei den Parteien ungläubiges Kopfschütteln aus, wenn dem Schifffahrtsgericht etwa zu erklären ist, was ein Fender oder eine Schot ist. Für die Rechtsfindung ist dies allerdings nicht bedeutend und ein gewisser Lernprozess muss auch einem Richter zugestanden werden. Problematisch wird es aber, wenn wegen Unkenntnis der Terminologie unrichtige Angaben zu Protokoll genommen werden.
In Erinnerung geblieben ist dem Verfasser das Beispiel eines promovierten bayrischen Schifffahrtsrichters, der offen kundgab, er sei natürlich auch schon einmal auf dem Wasser gewesen, im Übrigen aber vollständig unbeleckt. In der Hauptverhandlung Ende vergangenen Jahres bedurfte es es mehrerer Minuten, die tatsächliche Aussage einer Zeugin, ein unfallbeteiligtes Boot sei von "steuerbord voraus" auf sie zu gekommen, einigermaßen richtig zu Protokoll zu nehmen. Nach Ansicht des Gerichts war der dem Gericht unbekannte Begriff "steuerbord voraus" nicht bestimmt genug, um protokolliert zu werden (Dass Zeugenaussagen nicht exakt aufgenommen werden, ist an sich schon ein Unding, aber leider üblich.) Zu Protokoll genommen wurde schließlich die Aussage "Das Beklagtenboot hatte ungefähren Kollisionskurs von 45 Grad". Erst auf nachdrückliches Insistieren des Verfassers wurde hinzugefügt, dass es sich um einen Winkel von 45 Grad zum Klägerboot handelte, was immernoch unpräzise genug ist.
In einem anderen Fall ging ein Schifffahrtsgericht allein aufgrund des unstreitigen Umstands, die vorderen zwei Drittel eines Motorboots hätten sich in Fahrt aus dem Wasser gehoben, von einer Unkontrollierbarkeit des Fahrzeugs aus. Diese Auffassung musste mühsam entkräftet werden, dabei hätte es genügt, wenn sich das Gericht am nahe gelegenen Rhein einen eigenen Eindruck von einem Motorboot in schneller Gleitfahrt gemacht hätte.
Die Beispiele zeigen, dass es gerade in Schifffahrtssachen oft schwer ist, dem Gericht den tatsächlichen Sachverhalt darzustellen, nautische Notwendigkeiten zu vermitteln und auf Unkenntnis beruhenden falschen Schlüssen entgegen zu wirken. Parteien in einer Schifffahrtssache sollten sich darauf einstellen. Die richtige rechtliche Beurteilung unter Anwendung der einschlägigen schifffahrtspolizeilichen Vorschriften steht noch einmal auf einem anderen Blatt. Was für die Schifffahrtsgerichte gilt, gilt ebenso natürlich für Rechtsanwälte. Bei der Wahl Ihres Prozessbevollmächtigten in Schifffahrtsachen sollten Sie deshalb immer auf einen mit der Materie vertrauten und auf dem Gebiet erfahrenen Kollegen zurückgreifen.
Autor | Axel Kujawa |
am | 05.06.2012 |