Einkommensteuergesetz (EStG) § 12 Nr. 1, 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5, 3 Nr. 13 und 16
Finanzgericht Baden-Württemberg, Zwischen-Gerichtsbescheid vom 22.2.1999 (4 K 123/96)
Der Kläger war seit 1980 beruflich im Ausland tätig und hatte dort bis Ende 1988 seinen Wohnsitz. Im 2. Halbjahr 1988 kam es zwischen dem Kläger und einer in der Bundesrepublik ansässigen Firma zum Abschluss eines Dienstvertrags (Geschäftsführervertrags) mit Wirkung vom 1.1.1989. Der Kläger war bereits vor Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit für diese Firma Eigentümer einer hochseegängigen Dreizehn-Meter-Segelyacht, die während seines Aufenthalts' im Ausland im dortigen Hafen lag. Anläßlich seines Umzugs nach Deutschland wurde auch die Yacht nach Deutschland zurückgebracht. Zu diesem Zweck segelte im Jahre 1989 eine angeheuerte Mannschaft das Schiff zurück. Nach Ankunft in Deutschland wurde das Schiff schwer beschädigt. Der Schädiger konnte nicht ermittelt werden. Da eine unbemerkte Versicherungslücke bestand, wurde der Schaden auch nicht durch eine Versicherungsleistung ausgeglichen. Der Kläger macht die Überführungskosten in seiner Einkommensteuererklärung 1989 als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit unter dem rechtlichen Gesichtspunkt von »Umzugskosten« geltend, desgleichen in der Einkommensteuererklärung 1990 die Reparaturkosten. Den begehrten Werbungskostenabzug lehnte das Finanzamt jedoch ab. Der Einspruch blieb erfolglos. Mit der Klage verfolgt der Kläger die Durchsetzung des begehrten Werbungskostenabzugs.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
1. Das Gericht war gemäß § 99 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) befugt, über die streitigen und entscheidungserheblichen Rechtsfragen der steuerlichen Behandlung der Überführungskosten, des Transportschadens (der Reparaturkosten) ... in den Streitjahren 1989 und 1990 durch Zwischenurteil zu befinden.
Dem Gericht erschien es im übrigen sachdienlich, ohne mündliche Verhandlung gemäß § 90a Abs. 1, 99 Abs. 2 FGO durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.
2. Segelyacht Überführungskosten und Transportschaden
Gemäß § 12 Nr. 1 Satz 1 EStG dürfen »die für den Haushalt des Steuerpflichtigen ... aufgewendeten Beträge« u.a. bei der Ermittlung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) nicht als Werbungskosten (§ 9 EStG) abgezogen werden. § 12 Abs. 1 Satz 2 EStG statuiert darüber hinausgehend für sog. »gemischte Aufwendungen« (Aufwendungen, die sowohl beruflich als auch durch die Lebensführung verursacht sind), ein Aufteilungs- und Abzugsverbot. Berührt eine Aufwendung die Sphäre der Lebensführung, so kommt folglich ein Abzug als Werbungskosten grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Aufwendung (nahezu) ausschließlich beruflich veranlaßt ist. Das Abgrenzungsmerkmal der »ausschließlichen beruflichen Veranlassung« beschränkt sich allerdings nicht auf die Darlegung eines logisch-naturwissenschaftlichen Wirkungszusammenhangs (Kausalzusammenhangs), sondern bezieht gesetzliche Wertungen ein. Dies zeigt folgendes Beispiel: § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG begründet einen Werbungskostenabzug für notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlaß begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen. Durch diese in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG getroffene gesetzliche Wertung werden Kostenbereiche, die »geborene« Lebensführungskosten darstellen, wie z.B. der .Aufwand für Verpflegung und Unterkunft, wegen ihrer Unvermeidbarkeit (»notwendige Mehraufwendungen«) und ihre Nähe zur beruflichen Sphäre (»aus beruflichem Anlass begründete doppelte Haushaltsführung«) zu Werbungskosten umqualifiziert (vgl. auch die Einleitungsworte von § 9 Abs. 1 Satz 3 EStG: »Werbungskosten sind auch ...).
Für den Streitfall ergibt sich daraus folgendes:
Aufgrund der gesetzlichen Wertung in § 3 Nr. 13 und 16 EStG, wonach die von öffentlichen und privaten Arbeitgebern gezahlten Umzugskostenvergütungen unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei sind, be,):eht in der Rechtsprechung der Finanzgerichte und im Fachschrifttum Einigkeit darüber, dass ein Umzug (Verlegung des Mittelpunkts der Lebensführung in eine andere Wohnung) jedenfalls dann ausschließlich beruflich veranlaßt ist, wenn ? wie im Streitfall ? der Umzug die Folge eines Arbeitsplatzwechsels ist. Während die Finanzverwaltung mit Billigung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ursprünglich den Standpunkt einnahm, bei einem derart beruflich veranlaßten Wohnungswechsel seien sämtliche Umzugskosten bis zur Höhe der Beträge als Werbungskosten abziehbar, die nach dem BUKG höchstens als Umzugskostenvergütung gezahlt werden könnten (vgl. z.B. Abschn. 41 Abs. 2 Satz 1 LStR 1990), gilt dies nach der neuen Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. die Urteile vom 20.3.1992 VI R 55/89, BStB1 II 1993, 192, vom 27.5.1994 VI R 67/92, BStB1 Il 1995, 17 und vom 24.8.1995 IV R 27/94, BStB1 II 1995, 895) nicht mehr uneingeschränkt (vgl. jetzt auch Abschn. 41 Abs. 2 LStR 1996). Es ist vielmehr zusätzlich zu fragen, ob auch die durch den beruflich bedingten Umzug ausgelösten Einzelaufwendungen (im Streitfall die Überführungskosten der Segelyacht und der Transportschaden) im Sinne des § 12 Nr. 1 EStG ausschließlich beruflich veranlaßt sind, also unter Berücksichtigung einkommensteuerrechtlicher Wertungen (vgl. dazu Völlmeke, Der Werbungskostenbegriff und der Umfang der Steuerbefreiung des Umzugskostenersatzes bei - verfassungskonformer Auslegung, DB 1993, 1590). Der im Streitfall vorliegende und auch von der be klagten Behörde nicht in Zweifel gezogene Kausalzusammenhang (im Sinne der Conditio-sine-qua-non-Regel) zwischen dem beruflich veranlaßten Umzug und der fraglichen Aufwendung allein vermag deren Abzugsfähigkeit als Werbungskosten daher nicht zu begründen. Dies ergibt sich im übrigen bereits aus der von der Rechtsprechung seit langem herausgearbeiteten mannigfaltigen Kasuistik der als Werbungskosten abziehbaren bzw. nichtabziehbaren Umzugskosten, (vgl. z.B. die Übersicht bei von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, EStG, 33. Erg. Lief März 1992, § 9 Rn.B 617).
Daraus folgt das Scheitern des von dem Kl. begehrten Werbungskostenabzugs sowohl der Überführungskosten als auch des Transportschadens (bzw. der Reparaturkosten).
Die in § 3 Nr. 13 und 16 EStG ausgesprochene Steuerbefreiung von Umzugskostenvergütungen (einschl. der Vergütung von Beförderungsauslagen, % 5 Abs. 1 Nr. 1, 6 BUKG) trägt dem Umstand Rechnung, dass der Arbeitnehmer als Grundlage seiner bürgerlichen Existenz auf eine Wohnung samt dem erforderlichen Hausrat angewiesen ist. Aus diesem Grunde wird sogar im Einzelfall die Wiederbeschaffung von verlorenem Hausrat als zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG angesehen. Der beruflich veranlaßte Wohnungswechsel hat daher die Überführung des vorhandenen Hausrats in die neue Wohnung notwendig zur Folge. Dagegen gehören Gegenstände, die der Arbeitnehmer lediglich zur Ausübung eines Hobbies, einer Freizeitgestaltung oder eines Sports benutzt, und die bei typisierender Betrachtung aufgrund ihrer besonderer Eigenschaften (Größe, »Unterbringung«) nicht mehr als zum Hausrat gehörig angesehen werden, wie z.B. Sportflugzeuge, Tierhaltungen, Oldtimersammlungen oder größere Boote, nicht mehr zur »existentiell erforderlichen Grundausstattung«, an die die Steuerbefreiung für Umzugskostenvergütungen in § 3 Nr. 13 und 16 EStG typisierend anknüpft. Der Arbeitnehmer kann nämlich völlig frei von existentiellen Zwängen entscheiden, wie er es nach dem Umzug unter den nunmehr veränderten Umständen mit seinem Hobby, seiner Freizeitgestaltung oder seinem Sport halten will. Die im Wege der gesetzlichen Wertung in § 3 Nr. 13 und 16 EStG durchgeführte »Umqualifizierung« von Lebensführungskosten im Sinne des 5 12 Nr. 1 EStG zu Werbungskosten greift für Beförderungskosten von derartigem »Freizeitvermögen« nicht ein. Es verbleibt vielmehr bei der Grundregel des § 12 Nr. 1 EStG, wonach eben Lebensführungskosten auch dann nicht als Werbungskosten abgezogen werden können, wenn ? wie im Streitfall ? eine berufliche Mitverursachung vorliegt. Eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung der Aufwendungen anhand objektiver Umstände scheidet im Fall von Beförderungsauslagen gleichfalls aus.
Bei der hochseegängigen Dreizehn-Meter-Yacht des Kl. handelt es sich um Freizeitvermögen im dargelegten Sinn, das nicht mehr unter den oben dargelegten Begriff des typisierend begriffenen »Hausrats« (Wohnungseinrichtung und in angemessenem Umfang andere Gegenstände ...) gefaßt werden kann. Dies ergibt sich im Streitfall allein aus der Größe des Schiffs, dessen Überführung auf dem Landweg spezielle Transportvorrichtungen erfordern würde, und dessen »Stationierung« einen Dauerliegeplatz in einem Seehafen bzw. einem größeren Binnengewässer voraussetzt. Da die Kosten der Überführung nach Deutschland folglich keine Werbungskosten darstellen, kann auch der Transportschaden nicht nahezu ausschließlich auf beruflichem Anlaß beruhen. (...)
Autor | Axel Kujawa |
am | 04.08.2009 |