Ordnungswidrigkeit durch Befahren eines Stausees mit einem Sportboot ohne Zulassung - Auslegung des Begriffs Befahren

Die Auslegung von Rechtsnormen ist nicht nur für den Laien oft schwierig. Die Vielzahl der einschlägigen Gesetze und Verordnungen richtig anzuwenden, stellt bekanntermaßen auch die zuständigen Behörden vor Probleme.

In einer im Juni 2008 vom Thüringer Oberlandesgericht zu entscheidenden Bußgeldsache hatte sich der zuständige Senat mit der Auslegung des Begriffs "Befahren" im Sinne der Ordnungsbehördlichen Verordnung des Landratsamts Saale-Orla-Kreis für das Befahren der Hohenwartetalsperre mit Sportbooten mit und ohne Maschinenantrieb sowie das Verhalten beim Baden und Tauchen vom 01.12.1999 in Fassung der Änderungsverordnung vom 01.05.2005 zu befassen (1 Ss 83/08).

Zu klären war hierbei die Frage, ob der Tatbestand des  " Befahrens " bereits erfüllt ist, wenn ein zulassungspflichtiges Boot ohne Zulassung dauerhaft an einer Boje im Uferbereich des Gewässers liegt. Das Landratsamt des Saale-Orla-Kreises hatte dies so gesehen und gegen den betroffenen Bootseigner ein Bußgeld in Höhe von 1.000 EUR verhängt. Das Amtsgerichts Pößneck, Zweigstelle Bad Lobenstein setzte auf den Einspruch des Betroffenen hin zwar nur ein Bußgeld in Höhe von 300 EUR fest, sah den Ordnungswidrigkeitentatbestand aber ebenfalls als erfüllt an.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hin sprach der Senat für Bußgeldsachen des Thüringer Oberlandesgerichts den Betroffenen schließlich frei. Das Gericht begründete seine Entscheidung wie folgt:

"(...) Nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung handelt ordnungswidrig im Sinne des § 50 ThürOBG, 'wer vorsätzlich oder fahrlässig die Hohenwartetalsperre mit zulassungspflichtigen Fahrzeugen befährt, ohne die entsprechende Zulassung zu haben(§ 8 Abs. 1)'. Dabei bestimmt § 8 Abs. 1 der Verordnung, dass 'das Befahren (schließt das Einsetzen des Fahrzeugs ein) der Hohenwartetalsperre mit Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor über 3,68 kW (5 PS) der vorherigen gebührenpflichtigen Zulassung durch das Landratsamt Saale-Orla-Kreis bedarf.'

Soweit dem Betroffenen vorgeworfen wird, sein Motorboot (Fahrzeug mit Maschinenantrieb, ehem. Kennzeichen S, Leistung 99,3 kW) habe ohne eine Zulassung gemäß § 8 Abs. 1 der Verordnung (...) dauerhaft an einer Boje im Bereich W, Campingplatz P, gelegen, ist dies nach dem Wortsinn und der Systematik der Verordnung nicht von § 59 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung erfasst.

Soweit das Boot des Betroffenen an der Boje festgemacht war, handelte es sich unzweifelhaft um ein Stillliegen im Sinne des § 2 i der Verordnung. Gemäß der Verwendung des Begriffs 'Befahren' in § 59 Abs. 1 Nr. 3 und in anderen Vorschriften der Verordnung, erfordert 'Befahren' eine Ortsveränderung, so dass das Stillliegen nicht erfasst ist.

Die Bedeutung des Begriffs 'Befahren' im Rahmen der Verordnung ist nicht eindeutig bestimmt. Eine Definition erfolgt - insbesondere in § 2 der Verordnung - nicht.

Mit Befahren kann nach dem Wortlaut, wovon das Landratsamt offensichtlich ausgeht, auch das Einsetzen des Fahrzeugs, das Bewegen sowie das Stillliegen auf der Talsperre, also insgesamt das 'Benutzen' oder 'Gebrauchen' der Talsperre in Sinne von Gemeingebrauch (§ 1 Abs. 1 der Verordnung) gemeint sein.

Auch teleologische Erwägungen sprechen zunächst nicht gegen eine weite Auslegung des Begriffs 'Befahren'.

Durch die Zulassungsvorschriften in § 8 der Verordnung und die Begrenzung der Anzahl der Zulassungen auf 350, soll eine übermäßige Benutzung der Hohenwartetalsperre und damit eine Gefährdung von Natur und Umwelt verhindert und der Charakter der Talsperre als Erholungsgebiet erhalten werden. Es ist daher nicht fernliegend, dass der Verordnungsgeber von seiner Zielsetzung her insgesamt die Anzahl der Motorboote, die sich auf der Hohenwartetalsperre befinden, begrenzen und daher auch das Stilliegen mit erfassen wollte.

Die Systematik der Verordnung spricht jedoch eindeutig gegen eine derart weite Auslegung des Begriffs 'Befahren'.

So wird, worauf der Betroffene zu Recht hinweist, in § 1 Abs. 2 der Verordnung bestimmt, dass die Hohenwartetalsperre nur im Zeitraum vom 01.04. bis 31.10. des Jahres und nur in den Zeiten von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr und von 15.00 Uhr bis 19.00 Uhr von Booten mit Verbrennungsmotoren 'befahren' werden darf. Würde der Begriff des Befahrens auch das Stillliegen erfassen, hätte dies zur Konsequenz, dass in den übrigen von § 1 Abs. 2 der Verordnung nicht erfassten Zeiten auch ein Stillliegen von Booten mit Verbrennungsmotor nicht zulässig wäre und die Boote aus dem Wasser genommen werden müssten. Dass der Verordnungsgeber dies nicht bezweckt hat, ist offensichtlich. Vielmehr verfolgt die Verordnung in § 1 Abs. 2 das Ziel, eine Lärmbelästigung in den Morgen-, Mittags- und Abendstunden sowie nachts zu verhindern.

Da nicht anzunehmen ist, dass der Verordnungsgeber den Begriff des Befahrens in den verschiedenen Vorschriften je unterschiedlich verstanden wissen wollte, sind daher vom Begriff 'Befahren' nur Fahrzeuge erfasst, die sich fortbewegen oder im Sinn von § 8 Abs. 1 der Verordnung eingesetzt werden. Stillliegende Fahrzeuge befahren die Talsperre danach nicht und bedürfen insoweit keiner Zulassung gemäß § 8 der Verordnung.

Das Stillliegen wird auch nicht durch den Klammerzusatz in § 8 Abs. 1 der Verordnung 'schließt das Einsetzen ein' erfasst. Denn das Einsetzen ist mit dem Zuwasserlassen beendet und kann rechtmäßig auch aufgrund einer Tageszulassung geschehen.

Will der Landkreis die Zulassungpflicht auch auf stillliegende Wasserfahrzeuge erstrecken, so muss er dies durch klare Regelungen zum Ausdruck bringen. (...)"

Das Urteil ist aus Sicht des Autors ein schönes Beispiel für die gründliche Auslegung einer Norm, die so idealerweise bereits durch die Bußgeldbehörde hätte erfolgen sollen. Die Entscheidung zeigt zum anderen, dass sich das Vorgehen gegen behördliche Entscheidungen - gerade auch in Bußgeldsachen - für den Betroffenen oft lohnt. Dies insbesondere dann, wenn Anzeichen für eine fehlerhafte Anwendung der einschlägigen Vorschriften bzw. für einen Ermessensfehlgebrauch erkennbar sind. Mit der Prüfung Ihrer Erfolgsaussichten sollten Sie immer einen mit der Materie vertrauten Rechtsanwalt beauftragen.

Autor Axel Kujawa
am 14.02.2011

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